Unterwegs für den Weltkirchenrat in den besetzten palästinensischen Gebieten
19. Nov 2015
Im Anschluss an das Friedensgebet zum Buß und Bettag in St. Johannes, Gilching, hielt die Historikerin Dr. Angelika Baumann eine Vortrag über ihre Erfahrungen als Freiwillige im ökumenischen Begleitdienst für Israel und Palästina des Weltkirchenrates.
Sie war überrascht, dass trotz der Ereignisse der letzten Tage (Terrorangriffe in Paris) sich doch noch so viele Menschen für die Situation in Israel/Palästina interessierten. Ja, es mussten zusätzlich Stühle bereitgestellt werden, damit alle Besucher Platz fanden.
Bis zu ihrer Verabschiedung in den Ruhestand leitete Frau Dr. Baumann die Förderabteilung des Kulturreferates der Stadt München und hatte hier vielfältigen Kontakt zu Kindern von Holocaustopfern. Danach wollte sie sich auch noch die andere Seite der Medaille ansehen: wie ergeht es Palästinensern in den von Israel besetzen Gebieten.
Und hier kritisierte sie gleich zu Beginn, dass grundlegende Regelungen für die Verwaltung von besetzten Gebieten von Israel nicht eingehalten werden. Dies sei zum einen die Sorge um das Wohlergehen der Einwohner in diesen Gebieten und zum anderen das Verbot eigene Landsleute dort anzusiedeln.
Ihre Arbeit im Programm des EAPPI bestand vor allem aus Beobachtungsaufgaben. Dazu war sie wie das ganze Team, mit dem sie vor Ort war, durch spezielle Westen gekennzeichnet.
Ihr Einsatz etwa an den Kontrollpunkten führte oft dazu, dass allein durch die Anwesenheit die Schikanen ausblieben. Bei Häuserzerstörungen, die mit vielfältigen Begründungen durchgeführt wurden, blieb ihnen nur die Dokumentation.
Diskriminierung stellte sie auch beim Zugang zum Wasser fest. Während die Plantagen und Gewächshäuser der Siedler ihr Wasser über dicke Wasserleitungen bezog, hingen palästinensische Kleingärten an Wassercontainern, die von der Autonomiebehörde bezuschusst wurden, damit sie sich die Bewässerung überhaupt leisten konnten. Wasserleitungen, die Regenwasser verteilen sollten, wurden von den israelischen Behörden zerstört.
Kritik kam aber auch an der Autonomiebehörde selbst auf. Frau Dr. Baumann stellte fest, dass bei all diesen Zerstörungen neben den Freiwilligen zu allererst auch das Rote Kreuz und danach die UN vor Ort waren, nie aber die Autonomiebehörde, der eigentlich das Wohl ihrer Bevölkerung am Herzen liegen sollte, der es aber wohl in erster Linie um sich selber ging.
Ihrer Einschätzung nach wird es für diesen Konflikt keine schnelle Lösung geben gerade auch weil er im Augenblick nicht mehr an erster Stelle der politischen Agenda stehe.
Wie sehr die Situation in Israel und Palästina die Zuhörern bewegte zeigte sich auch daran, dass selbst nach einer Intensiven Diskussion im Anschluss an den Vortrag noch eine Reihe von Besuchern um die Referentin stand, um sich persönlich zu bedanken und auch noch weitere Fragen zu stellen.
Dr. Angelika Baumann, Historikerin, leitete bis 2014 die Förderabteilung des Kulturreferates der Landeshauptstadt München. Sie beschäftigte sich darüber hinaus im Auftrag der Stadt München seit 1990 mit der NS-Geschichte und der Geschichte der Münchner Juden; zu diesen Themen konzipierte sie Ausstellungen und Veranstaltungsreihen. Diese befassten sich beispielsweise mit der „Arisierung“ in München, mit dem Widerstand im Dritten Reich, mit dem „Lebensborn“ und seinen Aktivitäten. Sie ist darüber hinaus Herausgeberin einer Vielzahl von Publikationen zur Geschichte des Dritten Reiches in München. Ihre Arbeit für die Stadt München auf diesen Gebieten wurde von Yad Vashem (wichtigste israelische Gedenkstätte zur Erinnerung an die Shoah) gewürdigt.
Nach ihrer beruflichen Tätigkeit wurde Dr. Angelika Baumann vom Weltkirchenrat/Genf zusammen mit einem internationalen Team in die von Israel seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete entsandt. Sie lebte von Januar bis April 2015 in Jericho in der Westbank, in Ost-Jerusalem und in Bethlehem. Ihre Aufgabe war es, die Auswirkungen der israelischen Besatzung zu beobachten, zu dokumentieren und darüber zu berichten. Ihre vor Ort verfassten Berichte dienten nicht nur dem Weltkirchenrat sondern auch den Vereinten Nationen/OCHA zur Aktualisierung der Informationslage im Westjordanland.